Dienstag, 17. Januar 2017

Ihr erbt das alles!

Ich denke, es wird allerhöchste Zeit, dass ihr, liebe junge Generation, der wir euch das alles vererben, euch fragt: wollt ihr dieses Erbe?
Ihr seid aufgewachsen (zumindest hier) in Frieden und vergleichsweise Wohlstand. Ihr habt den kalten Krieg nicht erlebt.
Ich wurde heute von einem jungen Menschen gefragt: habt ihr damals mehr Angst gehabt als wir heute?
Die Antwort war: ja. Ich hatte damals mehr Angst als heute. Der kalte Krieg, das eingeprägte Feindbild war sehr präsent. Falsch, aber präsent. Ich hab es gespürt, als wir zum ersten Mal in die DDR gefahren sind. Und im Alltag, in der Schule, in den Medien.
Im Vergleich zu der damaligen Angst habe ich heute vergleichsweise weniger (aber ich habe auch zugegebenermaßen heute weniger Lebenszeit übrig als damals).
Ehrlich gesagt: das was gerade passiert, ist für mich so skurril, dass ich es wahrscheinlich nicht 100% als real akzeptieren möchte.
Wir waren doch schon soweit, dass Vernunft und Gerechtigkeit, sowie jahrelange konstruktive Diskurse zu Themen wie Sexismus, Diskriminierung, Rassismus, Homophobie usw. für alle Menschen in der Gesellschaft ein selbstbestimmteres Leben und entsprechende Gesetze ermöglicht haben.
Ich möchte gar nicht darauf eingehen, bis wann Homosexualität bestraft wurde oder wie lang es her ist, dass Frauen ihren Mann um Erlaubnis fragen mussten, um arbeiten zu gehen ... aber so lange ist es nicht her. Das ist heute nicht mehr so, und ja: natürlich nicht, selbstverständlich nicht. Ihr, Jungen, wisst das nicht mehr. Eure Selbstverständlichkeit ist eine gerechte Gesellschaft. Und das ist gut so. Das ist sogar SEHR GUT so! Ich will euch eigentlich nicht daran erinnern, leider - wie mir scheint - wird es aktuell wieder ein Thema. Ich habe wirklich gedacht, das wäre durch und wir müssen über den längst abgehakten Mist nicht mehr reden. Leider zeigt die Welt gerade: nein, ist es nicht. Die Populismustendenzen zeigen: da gibt es noch welche, die sich die alten, ungerechten, archaischen, diskriminierenden, menschenverachtenden Zeiten zurück wünschen.
Was gerade passiert ist, dass all das gerade in Frage gestellt wird - und damit auch und vorallem die Freiheit und die Selbstbestimmtheit von jedem einzelnen.
Demokratie wird plötzlich als Mehrheitsrecht ausgelegt, der Schutz von Minderheiten: verpönt. Meinungsfreiheit bedeutet plötzlich, dass jeder jeden beschimpfen kann statt: Fakten checken und anderen Meinungen respektieren.
Demokratie bedeutet aber in erster Linie: es ist erstmal egal, wer gewählt ist, die Mitbestimmung des Volkes hört nicht an der Wahlurne auf. Demokratie bedeutet nicht: die Masse hat Recht. Sie bedeutet: Verantwortung zu übernehmen, auch und gerade für die Schwachen, auch und gerade für die Minderheiten, unbedingt für die Werte der Verfassung einzustehen, und ja: manchmal auch - wie im Fall Snowden - die Obrigkeit daran zu erinnern, dass auch sie sich an Gesetze zu halten haben, sogar: dass sie diese zu verteidigen haben. Das gilt für alle, nicht nur für die gewählten Politiker. Das gilt für jeden einzelnen.
Demokratie bedeutet NICHT: Einer ist gewählt von der Mehrheit, und der/die kann dann ein paar Jahre lang schalten und walten, wie es ihm/ihr gefällt. Demokratie bedeutet: es sind immer und jederzeit alle (Bürger..) in der Pflicht und der Verantwortung, für die Gesellschaft das Beste zu tun und zu erreichen. Demokratie bedeutet: Verantwortung hat jeder. Jederzeit. Aber: streiten, nicht haten.
Wir haben in der Vergangenheit ein Ausmass an Freiheit und Gerechtigkeit schaffen können, was historisch kaum, nein: wohl keine Vergleiche findet.
Irgendwie freut sich aber scheinbar kaum einer drüber, wenn man die Kommentare unter bestimmten Artikeln bei Facebook so liest ...ich kann das alles nicht zitieren, denn ich finde es als Mensch im höchsten Masse beschämend, dass es Menschen gibt, die anderen Menschen das Ertrinken auf dem Mittelmeer gönnen, dass es Menschen gibt, die anderen Menschen den Schutz, den wir bieten können, nicht gönnen, dass es Menschen gibt, die anderen Menschen ihr nacktes Überleben nicht gönnen. Warum? Weil sie ihre Steuergelder nicht "für Fremde" ausgeben wollen. Diese zutieft menschen- und lebensverachtenden Aussagen in dieser Form jeden Tag auf Facebook lesen zu müssen, macht mich echt fertig. Mein Lebensmotto - gemäß Dürenmatt "Ich bin ein unverbesserlicher Philantroph" - habe ich vorher noch nie ernsthaft hinterfragt. Im letzten Jahr: mehrfach. Nein: Menschenverachtung wird nicht salonfähig, nur weil ein Menschenverachter jetzt Präsident wird. Aber ich möchte immer noch daran glauben, dass Menschlichkeit vorallem eins ist: etwas, das jeder - wie tief auch immer verborgen - in sich trägt und Moral etwas ist, das man weder kaufen noch wählen kann.
Wir (Älteren) sind in der Pflicht, unseren Kindern das zu erklären, was nie wieder sein darf und wie man es besser machen kann und es besser gemacht haben. Ihr Jungen, ihr seid nicht die Zuschauer, ihr erbt das alles! Was wir euch hinterlassen, damit müsst ihr leben. Deshalb: engagiert euch lieber heute als morgen, tretet für Werte ein, für Demokratie und Respekt. Ihr denkt doch ohnehin schon so: traut euch, das jetzt schon zu tun! Und wenn ihr Zweifel habt: fragt die Älteren, wie ihr heute verhindern könnt, was früher falsch gemacht wurde. Oder: was grade falsch läuft. Denn das tut es. Da läuft grade ganz viel falsch.

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Veröffentlichungen

Linda Breitlauch is a member of Design on Mendeley.

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  • „Computerspieldramaturgie - Herausforderung für Medienmanager“. In: Handbuch Medienmanagement, Schriften zum Medienmanagement der Media Design Hochschule, Thomas Dreiskämper, Olaf Hoffjann, Christian Schicha (Hg.), Lit-Verlag, Münster-Hamburg-Berlin-Wien-London-Zürich, 2009, S. 337 – 348.
  • Personal - Zeitschrift für Human Resource Management, Ausgabe 0209, "Serious Games: Spielerisch zum Lernerfolg", S. 40ff, http://www.fachverlag.de/personal/aktuelles.html
  • Titelthema: "Lernen heute" - in: Wissensmanagement, Heft 1 Januar 2009, Wissensmanagement
  • „Lustvoll Lernen – Serious Games in der Weiterbildung“, in: Bildung aktuell Nr. 12, 24.11.2008, Bildung aktuell
  • Dramaturgie der Computerspiele – Analyse und Bewertung von Wirkungspotentialen interaktiven Erzählens im Kontext gestaltungsrelevanter Fragestellungen (Diss.). Potsdam, Hochschule für Film und Fernsehen, 2008.
  • "Games are coming out." in "Quarterly _ Das Trenddossier des Zukunftsinstitutes", 10/2008, Seite 42-45, zukunftsinstitut.de
  • "Die Spielgesellschaft", in: GameStar, 8/2008, Seite 132-134, gamestar.de
  • "Games going society": Computerspiele in der Gesellschaft. In: GameStar/dev 2/2008
  • "Virtuelles trifft Realität." Das IperG-Projekt. In: GameStar/dev 3/2007, S. 68–69
  • Analyseverfahren für Computerspiele als Grundlage zur Konzeption und Entwicklung. In: Quo Vadis. Die Entwicklerkonferenz, Offizieller Reader zur Konferenz vom 09.04–21.04.2007, S. 27–30
  • „Dramaturgie der Ego-Shooter. Strukturen und Funktionen eines umstrittenen Computerspielgenres“. Tagungsband zur 2. Fachtagung NMI 2006, "Neue Medien in der Informationsgesellschaft"
  • „Die Eroberung der Feminae Ludens“ in /GameStar/dev, 2/2006
  • „Dramaturgie: multimedial. Forschung und Lehre auf dem Gebiet der interaktiven Dramaturgie“. Stand und Vortrag auf den „Game Days“ und anschließendem Symposium am Fraunhofer Institut Darmstadt, Mai/Juni 2005
  • „Dramaturgie der Computerspiele“ auf der Entwicklerkonferenz „Quo Vadis“ April 2006, Vortrag und Reader
  • Dramaturgie: multimedial. Wirkungspotentiale interaktiven Erzählens. Vortrag und Veröffentlichung auf der „7. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz“ Januar 2006 in Wernigerode

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